Ikigai (Rezension)

⭐⭐⭐⭐

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Ikigai
Ikigai, von Francesc Miralles und Héctor García

Rezension

Japan. Ein Land, welches auf viele eine gewisse Faszination ausübt. Eines, von dem die meisten zudem eine erstaunlich klare Vorstellung haben, ohne jemals dort gewesen zu sein. Viele Mythen und Klischees ranken sich um das fernöstliche Land und so ist es kaum verwunderlich, dass Literatur von dort, oder aber Begrifflichkeiten wie »Ikigai«, auf gesondertes Interesse stoßen.

»Ikigai« lässt sich mit dem Wort »Lebenswert« übersetzen (»iki« für »Leben« und »gai« für »Wert«). Das passt auch hervorragend, denn Ikigai meint eine Art allumfassendes Lebensverständnis. Eine Anschauung der Welt, des Lebens und des Seins, welche gemeinsam als besondere Formel zum Glück betrachtet wird. Habt ihr das sagenumwobene Ikigai verstanden, habt ihr also gewissermaßen den Sinn des Lebens entdeckt.

Soweit die Theorie. Nun zum Buch namens »Ikigai« von Francesc Miralles und Héctor García. Das Buch selbst befasst sich, meiner Ansicht nach, gar nicht allzu sehr mit dem Thema oder dem Begriff »Ikigai«. Vielmehr handelt es von Okinawa, einer Insel Japans, auf der besonders viele, besonders alte und besonders gesunde Menschen leben. Das Buch zeigt dabei auf, dass Okinawa eine von mehreren sogenannten blauen Zonen ist. Blaue Zonen, so werden allgemein die geografischen Regionen genannt, die statistisch auffällig sind, weil die Menschen dort überaus gesund zu sein scheinen und deutlich länger leben als anderswo auf der Welt. Neben Okinawa gibt es auch in Italien und Griechenland solche blauen Zonen. Sie sind also nicht Japan spezifisch, sondern existieren auf der ganzen Welt.

Statt vom Ikigai, handelt das Buch dann auch eher davon, wie die Bewohner von Okinawa es schaffen so lange gesund zu bleiben und dabei auch noch unglaublich alt zu werden (100+ ist dort keine Seltenheit). Das ist per se auch nicht uninteressant, doch das Buch zieht dabei keinerlei eigene Schlüsse. Es berichtet grob von einer Rundreise der Autoren durch Okinawa, bei der aber nicht viel passiert, was Reisende nicht ohnehin erleben oder sehen würden. All das wird, zusammen mit wissenschaftlichen Fakten, aufbereitet und relativ trocken zusammengefasst. Das Ergebnis ist somit kein Ratgeber, der mir neue Erkenntnisse bringt, sondern eine stumpfe Zusammenfassung bekannter oder weniger bekannter Fakten. Das ist leider hochgradig langweilig. Jedenfalls für diejenigen, die schon mehr als ein Buch dieser Art gelesen haben.

Weiterhin ist das Buch unnötig aufwendig präsentiert. Am Anfang werden viele Sachen geradezu krampfhaft als Infografik, Tabelle oder Ähnliches zusammengefasst und dargestellt. Das ist zum Großteil absolut nicht notwendig, wird aber dennoch getan. Wohl, um zu vermitteln, es handle sich um besonders wichtige Informationen. Auf diese Weise erscheint das Buch im übertragenden Sinne größer, als es in Wahrheit ist. Es wird künstlich ein Wert an Informationen geschaffen, der gar nicht existiert und der auch nach keinerlei Infografik oder Tabelle verlangt hätte.

Ein schönes Beispiel ist gleich zu Beginn die Gegenüberstellung von Höhlenmenschen und heutigen Menschen. Da wird simpelstes Faktengut noch einmal als Tabelle präsentiert. So etwas wie: Höhlenmenschen waren entspannt, moderne Menschen arbeiten nur. All das wird im Text zuvor allerdings bereits ausschweifend ausgedrückt. Der Bedarf, derart triviale Dinge noch einmal tabellarisch darzustellen, besteht deshalb gar nicht. Als Leser fühle ich mich hier regelrecht für dumm verkauft.

Am Ende hat mir das Buch keinerlei neue Sichtweisen oder Erkenntnisse zum Ikigai geliefert. Es fasst lediglich bereits bekanntes zusammen und stellt sich dabei auch noch als eine trockene Aneinanderreihung all dieser Fakten heraus. Zudem endet es absolut nichtssagend. Als hätte jemand ein Buch verfasst, bei dem er auf verschiedene Wikipedia-Artikel eingeht, aber sich erschreckend wenig eigene Gedanken zu der Thematik gemacht hat und deshalb nur das Vorhandene etwas umschreibt. Zwar gibt es gelegentlich ein paar Sätze, die die Autoren über ihre eigene Reise verlieren, doch auch das bleibt nichtssagend. Es sind größtenteils Plattitüden.

Für mich ist »Ikigai« von Francesc Miralles und Héctor García deshalb auch kein gutes Buch. Es hat mir, ganz ehrlich und offen, absolut nichts gebracht, es zu lesen. Es hat keine neuen Gedanken angestoßen, keine weiteren Erkenntnisse hervorgebracht und unterhalten konnte es mich beim Lesen ebenfalls nicht. Daher auch nur einen einzigen Stern. Für mich ist »Ikigai« nicht viel mehr als eine Zusammenfassung von Floskeln und Fakten. Vor allem geht es am Ende eher um alte Menschen und deren Lebensweisheiten, als um das Japanische Ikigai als solches. Insgesamt ziemlich enttäuschend.