Kino: Pro Video App für Anfänger

Kino Pro Video App
Mit Kino wird Filmen gleichzeitig professioneller und einfacher.

Bei mir im Blog dreht sich alles um Minimalismus und ein möglichst minimalistisches Setup. Das betrifft jedoch längst auch die Technik, die ich tagtäglich mit mir herumtrage und somit aktiv nutze. War bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch eine große DSLR/DSLM sowie eine vergleichsweise kleine und leichte Point and Shoot Kamera notwendig, um unterwegs zu filmen, brauche ich heute oft nicht mehr als mein iPhone, um hochwertige Videos zu produzieren. Vorausgesetzt, ich habe die richtige Pro Video App installiert, denn mit der iPhone-Kamera als einzige Option ist im professionellen Bereich kein Blumentopf zu gewinnen.

Kino ist eine solche App. Eine Pro Video App für das iPhone, welche von den Halide-Machern entwickelt wurde. Halide kennen die meisten Foto-Enthusiasten bestimmt, denn Halide ist auf der anderen Seite die Pro Foto App für das iPhone. Kino möchte das, was Halide im Foto-Bereich darstellt, nun also im Video-Bereich werden. Vor allem aber ist Kino gekommen, um bekannte Apps wie Filmic, Blackmagic Cam, ProMovie Recorder, Beastcam Pro, ProCamera oder auch ProCam abzulösen.

Interessant ist, dass die App, anders als Halide, nicht in einem Abo angeboten wird und wohl auch nicht angeboten werden soll. Stattdessen gibt es einen Einmalkauf für 20 Euro. Fairer Preis, faires Modell, minimalistisches Erscheinungsbild. Die besten Voraussetzungen also, um die App bei mir im Blog zu testen. Das wollte ich auch deshalb unbedingt, weil ich bislang Filmic verwende und selbiges als recht alternativlos betrachte. Gerade was die hohe Bitrate der Videos angeht, gepaart mit einer 10-Bit Farbtiefe, kam bislang keine andere Pro Video App an Filmic heran. Doch ich möchte gar nicht vorgreifen.

Da ich aktuell wieder viel Content für Social Media produziere, könnte der Zeitpunkt, zu dem Kino veröffentlicht wird, nicht besser sein. Denn aktuell nutze ich das iPhone, zusammen mit Filmic Legacy (das neue Filmic ist meiner Meinung nach sein Geld nicht wert), wieder entsprechend intensiv zum Filmen. Kann die Kino App vom Halide-Entwickler Lux also mithalten oder gar der neue Standard für mobile Video-Produktion werden? Und was will die App überhaupt sein? Zeit, genau das herauszufinden.

Eine einfache Pro Video App

Kino ist eine Pro Video App, nur eben für Anfänger. Das beschreibt das Konzept der App eigentlich relativ gut. Denn obwohl Kino sehr viele manuelle Optionen mitbringt, bleibt die App dabei jederzeit unfassbar einfach und vom Interface her auch besonders clever durchdacht. Jeder Anfänger wird also hochwertige Videos mit Kino anfertigen können, ohne sich zwangsweise in den unterschiedlichen manuellen Einstellungen verlieren zu müssen. Und so etwas gab es für das iPhone dann eben doch noch nicht.

Zudem löst Kino ein großes Problem, welches bei Filmic und den bekannten Alternativen hinlänglich bekannt ist. Denn so genial Filmic auch ist, so schwierig und fummelig zu bedienen war es auch immer. Und wenn ich an die Blackmagic Cam App denke, dann denke ich zwar ebenfalls an unzählige sinnvolle Möglichkeiten, jedoch auch an ein maßlos überladenes Interface, welches mich nach dem Start der App förmlich erschlägt und dann durchgehend überfordert und vom kreativen Prozess ablenkt.

In die Nische zwischen Pro Video App und Easy Video App drückt sich nun Kino hinein. Die App ist sofort und auf den ersten Blick besonders einfach zu verstehen und lässt sich wunderbar bedienen. Dennoch bleibt sie zugleich mächtig genug, um mit manuellen Einstellungen das Bild maßgeblich zu beeinflussen. Außerdem hat Kino von Anfang an den Fokus auf das Wesentliche gelegt. Für mich ist das ein Minimalismus, den es so zuvor in keiner anderen Pro Video App gab. Denn die leiden, wie schon erwähnt, für gewöhnlich daran, dass sie alles auf einmal integrieren möchten, mich als Nutzer dann aber mit all den Möglichkeiten erschlagen. Oder schlimmer noch, sie zwingen mich dazu, alles manuell einzustellen.

Automatische oder manuelle Einstellungen in der Kino App
Der Wechsel zwischen »Auto« und »Manuell« ist gar nicht so groß, wie es zunächst scheint. Kino kann problemlos im automatischen Modus filmen.

Wie Kino die Pro Video Apps revolutioniert

Zunächst einmal sollte jedem klar sein, dass der Entwickler Lux sehr viel Erfahrung im Umgang mit der iPhone-Kamera besitzt. Durch Apps wie Halide und Spectre wissen sie einfach bereits sehr genau, worauf es ankommt und konnten somit auch unzählige Erfahrungen in Bezug darauf sammeln. Das ist wichtig, um eine stabile und gut laufende App zu entwickeln. Große Pläne und Ideen haben schließlich viele, scheitern dann jedoch auch schnell an deren Umsetzung in die Realität. Kino nicht. Auch wenn die erste Version alles andere als final zu sein scheint, ist sie dennoch erstaunlich reif und läuft einwandfrei.

Kino ist also fertig, jedoch nicht final. Nun geht es für Lux darum, herauszufinden, was die echten Nutzer mit der App anstellen und wie sie diese verwenden. In welchen Bereichen sie aktiv sind und wie die App dahin gehend verbessert werden kann. Zum Release hingegen ist Kino ganz klar an Aufnahmen im neuen Format ProRes Log angepasst und auch vorwiegend für diese optimiert worden. Wer kein neues iPhone besitzt, kann Kino derzeit also nicht voll ausreizen.

Doch bevor wir zu sehr in die Details und Funktionen selbst eintauchen, möchte ich erst einmal ein großes Augenmerk auf das Design der App legen. Denn so trivial es an dieser Stelle vielleicht klingen mag, das minimalistische Design, welches unglaublich durchdacht erscheint, ist für mich der eigentliche Star von Kino und wesentlicher Bestandteil dessen, wie Kino die Pro Video Apps revolutioniert. Wie gut hier mitgedacht wurde, ist wahrlich ein Paradebeispiel für hervorragendes App Design und deshalb einen eigenen Absatz wert.

Minimalistisches App Design auf höchstem Niveau

Interessant ist, dass Lux sehr viel Wert auf Details legt. So viel, dass es die meisten zunächst gar nicht erkennen werden. Unter anderem haben sie eine Schriftart namens Halide Router in Auftrag gegeben und nutzten diese seitdem für das Interface innerhalb der hauseigenen Apps. Was für viele irre zu sein scheint (wer bezahlt schließlich heute noch für eine eigene Schriftart?), empfinde ich als Minimalist schlichtweg als ziemlich genial. Denn Schrift ist unheimlich wichtig und Halide sowie Kino zeigen auch eindrucksvoll, warum das so ist.

Die Halide Router Schrift orientiert sich, das wird jedem Fotografen sofort klar, an Beschriftungen klassischer Objektive. Sie erinnert mich augenblicklich an Leica und vielleicht auch an Zeiss. Vor allem, wenn ich an Leica-Kameras denke, also deren Menüs und Objektive, erkenne ich die Ursprünge oder auch das Vorbild der Halide Router Schrift. Was genial ist, weil auch Leica für das steht, was Kino und Halide am Ende ausmachen. Nämlich Perfektionismus, durch Minimalismus, innerhalb einer Nische.

Diese Liebe zum Detail, bei absolut reduzierter Darstellung, fasziniert mich von Anfang an. Bei Kino beispielsweise haben alle Elemente ein weiches, abgerundetes Erscheinungsbild. Die eigentliche Aufnahme wird, sobald ihr sie startet, rot umrandet dargestellt. Und zwar nicht dezent, sondern sehr deutlich als Rahmen. Das sieht aber nicht nur besonders stilvoll aus, sondern es reduziert auch die Größe der Vorschau (gut für den Akku) und verdeutlicht abermals, dass die Aufnahme selbst gerade läuft. Zudem erinnert es an die große rote Aufnahmeleuchte in einem Studio. Retro trifft moderne und gemeinsam ist das hier absolut charmant und schick umgesetzt worden.

All das ist aber nur ein Teil der durchdachten Designsprache, die Kino verwendet. Kino ist, genau wie Halide, eine moderne App, die ihren Ursprung in der Analogfotografie jedoch geradezu zelebriert. Damit habe ich nie das Gefühl, dass die Kino App die Videografie nicht wertschätzt, sondern vielmehr, dass Kino sie mir digital möglichst detailgetreu simulieren möchte. Kino feiert die Videografie, wie Halide die Fotografie feiert und das Gefühl in ein digitales Zeitalter transportiert. Das ist wesentlich angenehmer als eine App, die ständig davon spricht, Videokameras abzulösen oder zu ersetzen. Nein, so etwas hat Kino nicht vor. Es möchte eine Pro Video App sein, die Filmemacher verwenden, weil sie die Möglichkeit dazu haben. Sie ist nicht gekommen, um ein professionelles Film Setup zu ersetzen, sondern vielmehr, um es mit mobilen Möglichkeiten sinnvoll zu ergänzen.

Das minimalistische Design der Kino App
Das minimalistische Design der Kino App ist großartig und das vielleicht beste App Design überhaupt. Auch deshalb, weil es logisch, verständlich und jederzeit sinnvoll aufgebaut ist.

Funktionsvielfalt in möglichst einfacher Form

Die Funktionsvielfalt von Kino ist überaus groß und trotzdem wirkt die App nie überladen. Durch das minimalistische und clevere Design von Kino erscheint alles jederzeit verständlich und gut zu meistern. Im automatischen Modus müsst ihr zudem kaum etwas auswählen, die App erledigt das Meiste von ganz allein. Wer möchte, kann die Exposure (Belichtung) mit einer Wischgeste nach unten öffnen und dann entsprechend anpassen. Dort lässt sich zudem der Shutter (Verschlusszeit) einstellen.

Auch hier gibt es wieder eine Besonderheit, die für Videografen von entsprechender Bedeutung ist. Der Shutter lässt sich als Shutterwinkel, also in Grad, anzeigen, nicht nur als klassische Geschwindigkeit. Für Videografen gilt der 180 Grad Winkel gemeinhin als ideal, um Bewegungsunschärfe und somit einen möglichst cineastischen Look zu erzeugen. Vorteile sind hier in der Konsistenz zu finden. Denn so bleibt die Bewegungsunschärfe, unabhängig von der Bildrate, immer gleich. 180 Grad gelten hier als die ideale Einstellung, um durchgehend einen entsprechenden Kino-Look zu erzeugen.

Die Kino App besitzt dafür sogar eine eigene Funktion namens AutoMotion. Diese passt die Exposure automatisch an, um möglichst angenehme und kinoähnliche Bewegungsunschärfe im Bild zu erzeugen. Leuchtet das »Auto« links oben in der Ecke grün, ist AutoMotion aktiviert. Ist es ausgegraut, kann die Funktion derzeit nicht angewandt werden. Das ist beispielsweise bei knalligem Sonnenlicht der Fall. Dann könntet ihr einen ND-Filter über die iPhone-Linse legen und die Funktion wäre wieder nutzbar und aktiv. Achtet also immer darauf, ob der Schriftzug grün leuchtet oder ausgegraut ist.

Zudem lassen sich Weißabgleich und Belichtung während der Aufnahme festsetzen, also fix einstellen. Diese werden dann nicht mehr automatisch verändert, sobald die Aufnahme läuft, um unangenehme Veränderungen im Bild zu vermeiden. Das kommt beispielsweise vor, wenn sich der Weißabgleich durch unterschiedliche Lichtfarben verändert oder ihr von hellen Umgebungen in dunkle wechselt. Je nach Aufnahme sind solche plötzlichen Veränderungen meist ungewünscht. Durch das Festsetzen wird verhindert, dass sich die Werte während einer Aufnahme automatisch verstellen.

Kino hat damit alle wichtigen Optionen, erschlägt mich mit seinen Möglichkeiten aber nie. Fokus, Verschlusszeit und Belichtung werden automatisch gewählt, lassen sich auf Wunsch aber auch manuell einstellen. AutoMotion ist schlichtweg genial, weil es gewissermaßen automatisiert die besten Einstellungen in Bezug auf Belichtung und Verschlusszeit wählt, um einen Kino-Look zu erzeugen. Und zwar ohne, dass ich dafür jedes Mal die Verschlusszeit an die jeweilige Szene anpassen muss. Das ist, zumindest in der Theorie, für mich ein echter Gamechanger, da die Funktion meinen gesamten Workflow während einer Aufnahme vereinfacht.

Auch, dass Kino von Haus aus USB-Festplatten unterstützt, um Videoaufnahmen darauf aufzuzeichnen, ist ziemlich genial. Da Apple ProRes Log ein entsprechend speicherhungriges Format ist, ergibt die Aufnahme ohne externes Speichermedium ohnehin nur wenig Sinn. Schließe ich per USB-C also eine Festplatte an das iPhone an, erkennt Kino diese und speichert die Videodateien darauf ab. Das ist ziemlich genial und ebenso einfach wie alle anderen Möglichkeiten der App. Die Entwickler haben einfach sehr viel mitgedacht und das merkt ihr schon beim ersten Start von Kino.

Manuelle Einstellungen in der Kino App
Manuelle Einstellungen betreffen bei Kino vorwiegend die Belichtung und die Verschlusszeit. Letztere wird in Grad angegeben, wie es Videografen bevorzugen.

Kein Touch für wichtige Funktionen

Zudem gibt es in Kino keine nervigen Touch-Elemente für wichtige Funktionen. Entwickler Lux hat sich sehr genau überlegt, was Filmemacher sich wünschen und hat diesbezüglich jegliches Potenzial für fehlerhafte Eingaben entfernt. Ist es also bei der normalen iPhone-Kamera und vielen Drittanbieter-Apps so, dass ein Druck auf den Bildschirm die Belichtung setzt und beim längeren Halten auch sperrt, hat Kino auf solch eine Funktionsweise verzichtet. Kein versehentliches Verstellen der Belichtung mehr und der Fokus kann ebenfalls nicht per Touch gewählt werden. Ich finde das super, denn viel zu oft ruiniert einem die versehentliche Berührung die laufende Aufnahme.

Das lässt die Bedienung von Kino abermals minimalistischer anmuten, da es einfach sehr wenig einzustellen gibt. Das, was ich manuell wähle, verändere ich per digitalem Wahlrad, aber nicht mit einem einfachen Touch. Für mich reduziert das die Fehleranfälligkeit um ein Vielfaches und ich begrüße die Art, wie Lux all das in ihrer Kino App umgesetzt hat. Pro Video wurde in diesem Fall wirklich mal durchdacht umgesetzt und nicht nur, indem allerlei manuelle Funktionen hinzugefügt wurden.

Überhaupt hat sich Lux sehr genau überlegt, was Filmemacher bei aktuellen Pro Video Apps stört. Das versehentliche Aktivieren/Deaktivieren einer Aufnahme gehört zum Beispiel ebenso dazu. Deshalb verkleinert sich der Aufnahmeknopf in Kino auch, nachdem die Aufnahme gestartet wurde. Das reduziert ein versehentliches Stoppen, da anschließend sehr genau gedrückt werden muss, um die Aufnahme zu beenden. Super hilfreich!

Wer diesbezüglich auf Nummer sicher gehen möchte, kann den Knopf auch mit einem Slide to Unlock Mechanismus versehen. Einfach den Aufnahmeknopf nach links schieben, um die Aufnahme zu starten. Dort bleibt er dann geschützt, bis er wieder nach rechts geschoben wird, um sie zu beenden. Die Aufnahme lässt sich dann gar nicht mehr per Druck stoppen, sondern nur durch einen Slide. Auch das ist eine Kleinigkeit. Allerdings eine, bei der ich mich sofort frage, warum sie in Pro Video Apps nicht längst Standard ist.

Die kleinen, aber unheimlich wichtigen Features sind es dann auch, die Kino als Pro Video App so durchdacht erscheinen lassen. Die gesamte App wirkt minimalistisch, ist aber dennoch vielfältig und in jeglicher Hinsicht optimiert. Alles wirkt durchdachter und weniger sinnlos vollgestopft als bei der Konkurrenz. Der Aufnahmeknopf verdeutlicht sehr gut, wie viel die Entwickler von Videografie am iPhone verstehen und davon, wie sehr sie die typischen Fehlerquellen eliminieren wollten. Kino ist damit weitaus mehr als nur eine Möglichkeit, alle Einstellungen manuell auswählen zu können.

Die Einstellungen der Kino App
Weißabgleich und Verschlusszeit lassen sich auf Wunsch bei Aufnahme auch festsetzen. Allzu viele andere Optionen besitzt die Kino App aber tatsächlich nicht.

Instant Grade vereinfacht das Color Grading

Kino ist somit eine rundum durchdachte, perfekt designte Pro Video App. Was gibt es da also noch zu sagen, wenn alles so perfekt zu sein scheint? Nun, bislang habe ich noch nicht über Instant Grade gesprochen. Das ist eine Funktion von Kino, die es auf simpelste Weise möglich macht, einen speziellen Look zu erzeugen. Und zwar ohne aufwendiges Color Grading im Nachhinein. Denn genau das ist für viele einfach schwer bis unmöglich umzusetzen.

Um diesen Vorgang zu erleichtern, bietet Kino eine Funktion namens Instant Grade an. Instant Grade ist dabei eigentlich nichts anderes als eine Aufnahme mit aktivierter LUT (Look-Up Table). Eine LUT ist wiederum eine Art Farbprofil. Das meint, dass Instant Grade vorgefertigte Farbprofile (oder auch Filter) anwendet, die direkt in die Videodatei gebrannt werden. Instant Grade beeinflusst somit direkt, wie das fertige Video am Ende aussieht.

Streng genommen funktionieren LUTs etwas anders als klassische Filter oder Farbprofile, doch eine technische Erklärung würde an dieser Stelle einfach zu weit führen. Instant Grade erinnert in seiner Funktion aber auch an die beliebten Filmsimulationen von Fujifilm Kameras. Auch das sind, streng genommen, nichts anderes als vorgefertigte Filter, die Farben sehr gezielt beeinflussen.

Welche Instant Grade Vorlagen genutzt werden können, entscheidet Kino dabei eigenständig, je nach gewähltem Aufnahmeformat und iPhone. Mit ProRes Log sind so zum Beispiel andere Gradings möglich als bei einer normalen Aufnahme im HEVC-Format. Außerdem liefert Kino auch nicht unendlich viele mit, sondern vielmehr eine gezielte und minimalistische Auswahl.

Auch das ist wieder hervorragend geglückt. Die Instant Grades unterscheiden sich nämlich stark voneinander, haben alle ihre Daseinsberechtigung und stammen von Filmemachern, die mal mehr und mal weniger bekannt sind. Jedes Instant Grade Farbprofil steht dabei für sich. Hier wurden nicht unendlich viele Filter hinzugefügt, sondern eine selektierte Auswahl, bei der jedes Grading auch einen einzigartigen Look erzeugt.

Wer möchte, kann aber auch eigene LUTs in die App laden. Das ist praktisch, wenn ihr in eurem Arbeitsablauf bereits LUTs einsetzt und euch die Arbeit entsprechend vereinfachen wollt. Klar haben Profis hinterher weniger Spielraum für Korrekturen, wenn die LUT bereits eingebrannt ist, doch alle anderen sparen sich mit Instant Grade einen zusätzlichen Arbeitsschritt und erzeugen sofort ein Video mit dem gewünschten Color Grading. Kino ist eben auch immer noch eine Pro Video App für Anfänger.

Instant Grade in der Kino App
Die Funktion Instant Grade wendet eine LUT direkt auf die Aufnahme an. Das Konzept ist gut umgesetzt und die Auswahl gezielt statt massenhaft.

Große Probleme mit der niedrigen Bitrate

Kino hat ein gigantisches Problem, jedenfalls für meinen persönlichen Use Case. Denn die Bitrate der erstellten Videos ist nicht frei wählbar und leider auch nicht besonders hoch. Aktuell, so scheint es mir, wurde Kino vorwiegend auf ProRes Log optimiert. Alle anderen iPhones sind dabei vergessen worden und auch eine Aufnahme in anderen Formaten scheint für die Pro Video App derzeit keine allzu große Rolle zu spielen.

In meinen Videos, die ich zum testen der App erstellt habe, fiel mir das sofort auf. Im Testvideo erstellte Kino eine Datei mit 22,12 MBit/s. Dieselbe Szene mit Filmic aufgenommen, resultiert dank der »Filmic Extreme« Einstellung in einer Datei mit 83,12 MBit/s. Filmic erzeugt zudem Aufnahmen mit bis zu 120 MBit/s. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Die Bitrate ist nämlich entscheidend dafür verantwortlich, wie viele Bildinformationen gespeichert werden. Je niedriger die Bitrate ist, umso schneller werden Artefakte im Video sichtbar. Besonders deutlich wird so etwas, wenn ihr einen Baum mit Blättern im Wind filmt. Bei niedriger Bitrate verkommt das alles zu einem Pixelbrei. Bei hoher Bitrate erkennt ihr jedoch noch jedes einzelne Blatt am Baum.

Für mich ist die App, nur aufgrund dieser Tatsache, derzeit schlichtweg nicht nutzbar. Denn meine Aufnahmen finden oft in der Natur statt und damit eben genau dort, wo eine hohe Bitrate oft entscheidend für das Ergebnis ist. So genial ich Kino als Pro Video App also auch finde, ohne höhere Bitraten ist sie für mich schlichtweg nicht nutzbar. Wer nicht weiß, wovon ich spreche, schaut sich am besten mein Beispiel an. Das zeigt hervorragend, dass die Bitrate nicht ausreicht und das Bild zum Pixelbrei wird.

Kino App Bitrate Beispiel
Bei Aufnahmen in der Natur kommt die geringe Bitrate schnell an ihre Grenzen und erzeugt einen pixeligen Brei. Kompressionsartefakte sind dann an der Tagesordnung und machen alle Aufnahmen unbrauchbar.

Videografie im Wandel der Zeit

Als das iPhone damals besser und besser wurde, war mir klar, dass ich in Zukunft keine Point and Shoot Kamera mehr benötigen würde. Zudem wandelte sich der Fokus immer mehr von Foto zu Video und vom Querformat zum Hochformat. Das mag ein klassischer Filmer und Content-Produzent eher negativ sehen, doch es ist nun einmal so und lässt sich auch nicht ändern. Viele Inhalte, die wir heute konsumieren, sind im Hochformat erstellt und erdacht und werden somit am Smartphone angesehen, nicht am TV-Gerät.

Diesem Wandel der Zeit wird auch die Kino Pro Video App gerecht. Indem sie zwar professionelle Möglichkeiten und manuelle Einstellungen bietet, dabei aber genug Spielraum lässt. Zum Beispiel, indem sie mittels Instant Grade etwas in die App integriert, was Profis eigentlich immer erst im Nachhinein realisieren. Nämlich das Color Grading, welches überhaupt erst den filmischen Look erzeugt.

Kino ist eine Art Pro Video App, die irritierenderweise Pro Video für Anfänger ermöglicht. Das klingt widersprüchlich, passt aber wunderbar zum Konzept der professionellen Smartphone Videografie. Denn allzu viele manuelle Einstellungen gibt es dort am Ende ohnehin nicht zu wählen und meist sind es eher die hohe Bitrate, gepaart mit dem manuellen Fokus, die dringend benötigt werden, um die Videoqualität entsprechend zu verbessern.

Fazit zu Kino

Kino ist eine wunderbare Pro Video App für das iPhone, die bis in den letzten Pixel durchdacht wirkt. Außerdem ist sie, gerade für eine professionelle Anwendung, unglaublich clever designt. Der Feinschliff, der am Ende sogar mit einer eigenen Schriftart, die an Leica-Objektive erinnert, abgerundet wird, ist schlichtweg enorm. Das habe ich so noch nie bei einer App erlebt. Kino löst damit sofort ein Gefühl von echter Videografie und analogen Bedienelementen aus, was den kreativen Prozess in meinen Augen nur verbessert. Wirklich toll umgesetzt, das Ganze!

Allerdings fehlt mir einfach noch zu viel. Ich bin es etwa gewohnt, auch Zeitraffer mit Filmic zu erstellen. Das geht mit der Kino App derzeit aber nicht. Auch die Formatauswahl ist geringer und ich kann zudem keine eigenen Voreinstellungen wählen oder abspeichern, um eine personalisierte Schnellauswahl zu besitzen. Genau das benötige ich im Alltag aber, um zwischen einer normalen Aufnahme (4K/30) und der Zeitlupen-Aufnahme (1080p/120) zu wechseln.

All das ist für mich bereits ein echter Kompromiss, doch damit nicht genug. Denn durch die geringe Bitrate innerhalb der Videos ist es nicht möglich, Aufnahmen eines Baumes im Wind anzufertigen. Hier bilden sich sofort Artefakte. Statt um die 120 MBit/s wie in Filmic, liefert meine Testaufnahme von Kino hier nur knappe 22 MBit/s. Das ist inakzeptabel für eine Pro Video App, die mir doch eigentlich die höchstmögliche Qualität bieten sollte.

Kino begeistert mich also auf ganzer Linie, ist für mich dann aber, ausschließlich aufgrund der geringen Bitrate, in keinem realistischen Setup nutzbar. Denn dafür benötige ich deutlich höhere Bitraten im Video, um die Bildung von Artefakten zu verhindern. Weil die Videos, die ich erstelle, fast immer in der Natur und für Social Media sind, ist Kino daher leider nicht geeignet.

Sollte sich an der Bitrate etwas ändern, berichte ich gerne und werde den Artikel entsprechend aktualisieren. Aktuell ist die App selbst zwar toll, die erzeugte Datenrate der Videos aber zu gering für mein Einsatzgebiet. Schade.